10. September 2002
Der Appell des Schreckens VII

Oops... da hatte ich die folgenden Beiträge immer noch nicht eingestellt. Schlafmütze, ich. Dabei sind die Beiträge von Angelika die einzigen, die sich zunächst nicht komplett von dem Appell distanzierten. Aber lest selber:



From: "angelika_lr"
Date: Tue, 27 Aug 2002 22:52:53 -0000

Hallo Alex, hallo Leute!

Nun kommt mal wieder runter! Es ist sicher kein "faschistoider Scheiss", wenn sich jemand dagengen wehrt, dass sein/ihr Weg, der weissgott alles andere als leicht war, einer oberflächlichen Beliebigkeit anheimgestellt wird. Und das gleichzeitige Absprechen der Zurechnungsfähigkeit (Stichwort Psychiatercouch) ist aus meiner Sicht auch nicht so wahnsinnig weit von faschistoidem Gedankengut oder zumindest solcher Argumentationsweise entfernt. Auch die Erklärungen der Beifallklatscher klingen für mich nicht so wahnsinnig viel besser.

Dass ein derartiger Appell auf die Verfechter eines "dritten Geschlechts" (oder vierten, fünften ...oder was weiss ich) wie ein rotes Tuch wirken muss, erscheint eigentlich logisch. Es ist nun mal nicht jedermanns/-fraus Sache, heute Mann, morgen Frau, übermorgen Elefant, einen Tag später Krokodil oder irgendwann einmal Küchenschrank sein zu wollen. Manche empfinden nun mal das Gerede vom "Niederreissen der Geschlechtergrenzen" nicht als das, was anzustreben wäre, ich selbst im Übrigen auch nicht. Dass es derarige Lebensentwürfe gibt, muss wohl akzeptiert werden, aber zu tun muss ich damit wohl nichts haben.

Natürlich halte ich die Bemerkung, dass sich das Begutachtungsverfahren im Wesentlichen bewährt habe, für ziemlich zynisch. Auch wenn ich selbst im TSG-Verfahren (weder für VÄ, noch für PÄ) damit keine allzugrossen Probleme hatte, weiss ich doch, dass gerade da jeglicher Willkür Tür und Tor geöffnet ist und diese "Gelegenheit" auch zuweilen genutzt wird.

Viele Grüsse von

Angelika



Worauf Paul antwortete:

From: "Paul R. Sass"
Date: Wed, 28 Aug 2002 01:30:51 +0200

Es ist nun mal nicht jedermanns/-fraus Sache, heute Mann, morgen Frau, übermorgen Elefant, einen Tag später Krokodil oder irgendwann einmal Küchenschrank sein zu wollen.

1. es geht weder um heute hü und morgen hott noch soll es pflicht für alle werden sondern nur alle möglichkeiten denen bieten die sie nutzen möchten

2. selbst wenn es hü und hott wäre:
du möchtest leben wie du lebst und das dies so akzeptiert und respektiert wird andere wollen das eben auch nur denken die oder leben diese anders und wollen eben nicht definitiv a oder b sein sondern eben mal a und mal b oder gar c ...

ich finde IMHO leben und leben lassen - es soll jede(r) leben, wie er/sie/es möchte - solange er/sie/es dabei die selben grundsätze auch für alle anderen gelten lässt und dadurch nicht die rechte anderer beschneidet

ich glaube _nicht_ das es ein _recht_ auf ein erkennbar eindeutiges geschlecht meines etwaigen gegenüber gibt - und so sollte es auch bleiben ...
respektive das gegenteil - also das recht auf die freie definition einer jeden person für sich selbst ohne schubladenvorgaben - das wäre mal eine revolutionäre neuerung

liebe Grüsse,
Paul


To: trans-gruppen@yahoogroups.de
Subject: [tg] Betrifft: Anfrage wegen "Appell an die Parteien des deutschen Bundestages"
From: "angelika_lr"
Date: Fri, 30 Aug 2002 17:16:15 -0000

Hallo Alex!

Natürlich kannst Du auch meinen Beitrag auf Deine Seite setzen.
Nur weiss ich natürlich nicht, inwieweit er mit der von Dir festgestellten Einmütigkeit harmoniert. Auch zu den ?Stimmen aus der Gruft? lässt er sich nicht so ohne weiteres einordnen.

Hoffentlich beleidigt es Dich nicht allzusehr, wenn ich feststellen muss, dass mich das Ganze vom Stil her ein wenig an eine von oben inszenierte Leserbriefkampagne des ?Neuen Deutschland? (für diejenigen, die nicht wissen sollten, was das ist: Das war das zentrale Presseorgan der Parteiführung der SED in der damaligen DDR) erinnert. Aber eine Zensur der Beiträge traue ich Dir natürlich nicht zu.

Wenn hier manche die Sache einfach so als nicht diskussionswürdig und damit erledigt abtun, überrascht mich das speziell hier in diesem Forum dann doch nicht allzusehr. Schliesslich sind ja gerade die in diesem
Appell genannten Leute hier aus meiner Sicht doch etwas stärker vertreten, als in der Gesamtbevölkerung (auch derer, die mit der TS-Problematik zu tun haben).

Als ich diesen Appell las, hatte ich diesen eigentlich fast schon unterschreiben wollen. Aber die von mir bereits erwähnte Passage, nach der sich die bisherige Begutachtungspraxis in der Regel bewährt habe,
liess mich davor zurückschrecken. Bei genauerer Betrachtung stellte ich auch noch ein paar andere Ungereimtheiten fest. Zum Beispiel ist da die Tatsache zu nennen, dass man/frau mit diesem Appell ja in
irgendeiner Weise den Versuch macht, Politiker und damit die Gesetzgebung zu beeinflussen. Inwieweit das von Erfolg gekrönt sein kann steht zwar auf einem andern Blatt, aber der Versuch wurde ja gemacht.
Vom Gefühl her stehe ich natürlich auch auf dem Standpunkt, dass ich als TS nach erfolgter Op. und PÄ anderes zu tun habe, als die Befindlichkeiten von aus (meiner Sicht) Spinnern zu teilen, aber mit
Gesetzen dagegen vorzugehen verträgt sich nun überhaupt nicht mit meiner demokratischen Grundauffassung.

Ich gebe zu, dass ich persönlich so meine Probleme mit Anhängern eines ?dritten Geschlechts?, Tranvestiten oder anderen Exoten habe.
Ich strebe einfach nur an, mich als Frau (meinetwegen auch als Transfrau, wenn es denn sein muss) so weit es geht in die Gesellschaft zu integrieren, was mir im wesentlichen bisher auch gelungen ist. Ich
habe keine Lust, am Rande der Gesellschaft in einem Ghetto zu leben. Das genau würde nämlich passieren, wenn ich mich in eine Reihe mit allen möglichen berufsmässigen Bürgerschrecks stellen
würde. Und wenn dann mal anlässlich eines CSD oder einer anderen derartigen Veranstaltung von der Mehrheit der Bevölkerung zum Zwecke der Toleranzdemonstration die eine oder andere Streicheleinheit kommt, ändert das doch trotzdem nichts daran, dass man/frau dabei wie in einem Zoo bestaunt wird.

Viele Grüsse von

Angelika



Und als letzter Beitrag einer von Michi, die auf Angelika antwortete. Danach kam zum Appell selber nix mehr, nur auf der Darklahn eine recht interessante Debatte, die aus dem Appell entstanden war, und sich im Moment vor allem um die Frage "Personenstandsänderung für Non-OP-Transfrauen" dreht.

Hallo Angelika!

Hoffentlich beleidigt es Dich nicht allzusehr, wenn ich feststellen muss, dass mich das Ganze vom Stil her ein wenig an eine von oben inszenierte Leserbriefkampagne des ?Neuen Deutschland? [...]

Das ging mir beim ersten Durchlesen so ähnlich ( das Werk ist die reinste Provokation!), allerdings hatte ich Alex da nicht in Verdacht!!! Als ich dann sah, wer das Dings verfasst hat, habe ich das für mich sofort abgehakt und in die Tonne gehauen!! Mit TK über Toleranz zu diskutieren ist geradezu verschwendete Zeit.

Wenn hier manche die Sache einfach so als nicht diskussionswürdig und damit erledigt abtun, überrascht mich das speziell hier in diesem Forum dann doch nicht allzusehr.

.. wie schon geschrieben, es kommt halt oft auf den/die Verfasser an!

Schliesslich sind ja gerade die in diesem Appell genannten Leute hier aus meiner Sicht doch etwas stärker vertreten, als in der Gesamtbevölkerung (auch derer, die mit der TS-Problematik zu tun haben).

hmm... ja, mag sein. Ich habe mir eigentlich noch nie Gedanken darüber gemacht, ob es *richtige* oder *falsche* Transen gibt; solche Diskussionen öden mich einfach an. Und es ist mir eigentlich auch wurscht, ob mich irgendwelche Spinner eine Spinnerin nennen oder nicht!

Als ich diesen Appell las, hatte ich diesen eigentlich fast schon unterschreiben wollen. Aber die von mir bereits erwähnte Passage, nach der sich die bisherige Begutachtungspraxis in der Regel bewährt habe, liess mich davor zurückschrecken..

prinzipiell ist die Aussage ja richtig; kommt eben immer drauf an, von wo aus man schaut.Allerdings halte ich das ganze Verfahren auch für ziemlich überzogen; mit Kanonen auf Spatzen geschossen....
Und nachdem ich mich da hindurch gewühlt habe, kann ich das auch beurteilen!

Bei genauerer Betrachtung stellte ich auch noch ein paar andere Ungereimtheiten fest. Zum Beispiel ist da die Tatsache zu nennen, dass man/frau mit diesem Appell ja in irgendeiner Weise den Versuch macht, Politiker und damit die Gesetzgebung zu beeinflussen. Inwieweit das von Erfolg gekrönt sein kann steht zwar auf einem andern Blatt, aber der Versuch wurde ja gemacht.

na ja, das ist doch nichts besonderes und auch jedermanns/jederfraus gutes Recht, oder?

Vom Gefühl her stehe ich natürlich auch auf dem Standpunkt, dass ich als TS nach erfolgter Op. und PÄ anderes zu tun habe, als die Befindlichkeiten von aus (meiner Sicht) Spinnern zu teilen,

hast Du sie vorher geteilt? Hier geht es doch gar nicht ums teilen; hier gehts doch einfach darum, jeden Menschen nach seiner Facon leben zu lassen und ihm nicht noch von staatswegen an allen Ecken Knüppel zwischen die Beine zu werfen, oder? Zumal die Toleranz innerhalb der Gesellschaft T*'s gegenüber wesentlich grösser ist als die unserer Vordenker!! (Ich lebe in Bayern; hier ist diese Diskrepanz besonders krass!!)
Und mal ganz unter uns: die Befindlichkeiten anderer tangieren mich bestenfalls peripher! Ich kann sie über weite Strecken eh nicht nachvollziehen und muss es auch nicht. Mir reicht es, wenn ich mich mit
meinen eigenen rumschlagen muss...


aber mit Gesetzen dagegen vorzugehen verträgt sich nun überhaupt nicht mit meiner demokratischen Grundauffassung.

... aber ganz genau!!! Schliesslich und endlich beziehen wir ja auch eine gute Portion Legalität aus einem Gesetz; dem TSG.

wobei sich dabei dann aber die interessante Frage stellt, ob das TSG selbst nicht eigentlich genau ein solches Gesetz ist, welches die Befindlichkeiten von irgendwelchen Exoten *einsortiert*
Frei übersetzt besagt das TSG nicht mehr als:
"Wenn Du in dieser Gesellschaft einigermassen in Frieden leben willst, kannst Du das nur als Frau oder als Mann; was anderes ist nicht vorgesehen. Und wenn Du als Mann ( resp.Frau) nicht hinbekommst, musst Du es eben als Frau (resp.Mann) tun. Und dann verlangen wir von Dir als Nachweis...(grumpf, würg, kotz)... und wenn Du das nicht auf Dich nehmen willst, dann tut es uns leid!!!!" .. aber such nicht weniger.

Dazu vielleicht noch ein Spruch, den ich während meiner Outings von einem Bekannten zu hören bekam:
"Das Gesetz ist abstrus; da wird doch nur versucht das AbNorme irgendwie zu Legalisieren und Normalisieren"

Na ja, so ganz unrecht hat er nicht; was tut denn das TSG anderes, als ein an sich längst in Frages gestelltes Geschlechtersystem (m/w) und ein wirklich antiquarisches Namensrecht zu zementieren, indem es bestimmte Ausnahmen zulässt?!?

Aber gut, nachdem man die ganzen Prozeduren durchlaufen und alle geforderten Papiere und Stempel beigebracht und alle Gebühren entrichtet hat, ist man(n) dejure eine Frau; gaaaanz toll!!Staatlich
anerkannt!!! Und defacto?
Wenn Du, wie Du weiter unten schreibst, wirklich als Frau in die Gesellschaft integriert bist, dann wirst Du wissen, was ich meine, oder?
Wie begrenzt unsere Möglichkeiten als Frau sind merkst Du schnell, wenn Du mal *under_cover* in einer DAmenrunde bist. Die Gemeinsamkeiten - der gemeinsame Erfahrungsschatz - reichen nicht sehr weit, und Du musst schon gut improvisieren können, um under cover bleiben zu können. Und solltest Du Dich dann mal mit einem Mann einlassen.. under cover ...

Ich gebe zu, dass ich persönlich so meine Probleme mit Anhängern eines ?dritten Geschlechts?, Tranvestiten oder anderen Exoten habe.

Einverstanden, habe ich auch; aber nicht grundsätzlich, sondern wenn, dann immer auf das einzelne Individuum bezogen und unabhängig davon, in welche der tollen T*-Schubladen es sich einsortieren! Es gibt durchaus TV's, wo ich sage: "Klasse! Der bringt das super rüber!" andererseits gibt es durchaus *richtige* (F64) Transen, die mir Probleme verursachen.
Von einem 3.Geschlecht halte ich auch nichts; weil die Anerkennung oder Definition eines solchen automatisch zur Folge hätte, dass wir noch ein paar mehr bräuchten! Und damit wären wir kein Stück weiter. Wenn überhaupt, dann würde ich eine Ausnahme ehesten für IS sehen; obwohl ich über die Erscheinungsformen dieser Spezies nicht genug weiss.

Ich strebe einfach nur an, mich als Frau (meinetwegen auch als Transfrau, wenn es denn sein muss) so weit es geht in die Gesellschaft zu integrieren, was mir im wesentlichen bisher auch gelungen ist.

.. prima, Glückwunsch! Aber DAS hat nur peripher mit dem TSG und seinen Errungenschaften zu tun, oder?

Ich habe keine Lust, am Rande der Gesellschaft in einem Ghetto zu leben. Das genau würde nämlich passieren, wenn ich mich in eine Reihe mit allen möglichen berufsmässigen Bürgerschrecks stellen würde. Und wenn dann mal anlässlich eines CSD oder einer anderen
>derartigen Veranstaltung von der Mehrheit der Bevölkerung zum Zwecke der Toleranzdemonstration die eine oder andere Streicheleinheit kommt, ändert das doch trotzdem nichts daran, dass man/frau dabei wie in einem Zoo bestaunt wird.

na ja, das ist aber jetzt schon eine recht verbissene Einstellung; aber davon ab, der Zoo kann Dich auch ohne CSD und ähnliches erwischen, oder?

soweit meine 2cts zum Thema; und nix für ungut.

liebe grüsse
michi, die aus Oberbayern.

Posted by alex.here at 10. September 2002 13:11
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