September 25, 2002
Appell - Der Gegen-Appell

Der Vollständigkeit halber (und ich denke, damit ist das Thema Appell erstmal abgehakt):
Als Reaktion auf den Appell des Schreckens (der übrigens mit der phänomenalen Zahl von 16 Unterschriften bis zum Abgabetermin am 4.9.02 aufwarten konnte) verfasste Charis Bergern einen Gegen-Appell. Da dieser im Web nicht ganz leicht zu finden ist, veröffentliche ich ihn ebenfalls hier.


TransGenderlLife
Charis Berger
Postfach 86 08 08
D - 81 635 München
Handy: [Von Alex vorsichtshalber gestrichen, kann per Mail erfragt werden.]
e-Mail: transgenderlife@gmx.de
Internet: www.transgenderlife.de am 5. Sept. 2002

TransGenderlife
Postfach 86 08 08
D - 81 635 München

Offener Brief per eMail an:
Fraktionen des Deutschen Bundestages
Bundesministerin für Justiz, Frau Dr. Deubler-Gmelin
Zentralbüros aller im Bundestag vertretenen Parteien
Queer-Arbeitsgemeinschaft der Gewerkschaft Ver.di
Vorstand LSVD
Vereinigungen und Institutionen in TransGender-Land
Presse (Print, Funk und Fernsehen)
alle Bezieher des TransGenderLife-ABO-Newsletters


Sehr geehrte Empfänger/Innen,
sehr geehrte Politiker/Innen aller Parteien,
sehr geehrte Journalisten/Innen !

Vor einigen Tagen ging durchs Internet ein "Appell an die Politik", ausgesandt von einer KLEINEN GRUPPE einzelner TransIdenten/Innen. Dieser Appell ist verbunden mit einer Unterschriften-Aktion und strebt nach einer Aufschiebung der Neufassung eines TransGender-Gesetzes. Dem Inhalt des Appells ist heftig zu widersprechen.
Eine heftige Diskussion im Internet (yahoogroups) hat inzwischen gezeigt, dass der o.g. Appell defintiv nur die Meinung eienr KLEINEN Minderheit darstellt und allseits auf umfassende Ablehnung trifft

Daher ganz im Gegenteil: Wir appellieren mit grossem Nachdruck an Sie alle, mit Initiative und Einsatz ab Beginn der neuen Legislatur-Periode auf die SCHNELLE Verabschiedung eines neuen TransGender-Gesetzes hinzuwirken.

Hinter dem o.g. Appell steht eine kleine Gruppe von TransIdentInnen, die sich bedauerlicherweise bereits mehrfach durch bedauerlichen Mangel an Toleranz und durch wenig solidarische Standpunkte hervorgetan haben. Es kann und darf nicht angehen, dass sich im Bereich der TransGender-Minderheit eine kleine "Minderheit in der Minderheit" als "elitär" herauszustellen versucht und alle anderen TransGender, die andere Lebenswege gewählt haben, diffamiert und persönlich abwertet.

Niemand nimmt den Verfassern/Innen des o.g. Appells das Recht, ihre eigene Meinung dezidiert zum Ausdruck zu bringen -- dieses Recht hat allerdings dort seine GRENZEN, wo Meinungsäusserung zur Herabwürdigung anderer führt. Um einseitige Information oder gar Meinungsbildung zu verhindern, melden auch wir uns zu Wort.

TransGenderlife ist eine vor sechs Jahren von Charis Berger *) gestartete Non-Profit-PRIVAT-Initiative mit Sitz in München. Das Anliegen von TransGenderlife war und ist es:
1.) über TransGender-Menschen ALLER "Schubladen" so viel an Information in die Öffentlichkeit zu bringen, wie nur möglich, um endlich Un- und Falsch-Information abzubauen, Vorurteile aufzuheben und die TATSACHE transgender'scher Lebensformen im öffentlichen Bewusstsein ebenso selbstverständlich werden zu lassen, wie schwule oder lesbische Lebensformen,
2.) für TransGender ALLER "Schubladen" eine zentrale Informations-"Börse" zu schaffen. Die über fünf Jahre dazu mit erheblichen privaten Zuschüssen publizierte Zeitschrift "TransGenderlife " musste mit Heft 1/2002 leider eingestelt werden, da die laufenden Defizite aus privaten Mtteln nicht mehr tragbar waren. TransGenderlife als Informations-System stützt sich jetzt weiterhin auf die Web-Seite >www.TransGenderLife.de< und auf den TransGenderlife--NEWSLETTER

Zum o.g. "Appell" merken wir zu den einzelnen Punkten an:

1.) Die neue Bezeichnung "TransGenderGesetz" ist DRINGEND notwendig. Begründung: Es ist DRINGEND nötig, auch für TransVestiten (CrossDresser, DragKings und -Queens usw.) ein MINDESTMASS an rechtlicher Sicherheit und Regelungs-Klarheit zu erreichen (z.B. Ausweis-Recht, Pseudonym-Recht, Behandlung bei Polizeikontrollen, beim Ein-Checken am Flughafen bis hin ins Personenstandsrecht oder auch in die rechtlich völlig unklare Situation bei Beleidigungen usw.) Nirgendwo sonst als in einem neuen TRANSGENDER-GESETZ ist dies sinnvoll und gut aufgehoben.
TransVestismus ist keine "abscheuliche Perversion", auch keine psychische Krankheit, sondern eine in der "Offenen Gesellschaft" durchaus zu tolerierende Lebensform, eine durchaus nicht seltene Veranlagung (in den meisten Fällen), in anderen Fällen vielleicht auch "nur" ein "Hobby" oder eine "Leidenschaft" -- auf jeden Fall ÜBERFÄLLIG für die breite Anerkennung als ein weit verbreiteter menschlicher Zug, der "harmlos" ist und daher nicht verdammens- sondern schützenswert sein muss. TransVestismus gibt es quer durch alle Kulturen und er wird in vielen Kulturen geachtet und sogar geehrt.

2.) Einfachere Formen der Vornamens-Änderung sind dringend nötig
Begründung: Nicht nur reichlich viel "Schindluder" mit Betroffenen, teils durch Gutachter, teils durch Bürokraten, spricht dafür, sondern auch weitere Gründe, als da z.B. sind: Neben der "endgültigen" Vornamens-Änderung sollten auch Möglichkeiten der Vornamens-ERGÄNZUNG stehen (Pseudonym, Künstlername, "Wahl-Vorname"). Ist es schon schwer zu akzeptieren, dass ein Mensch lebenslang mit dem Vornamen rumlaufen muss, den die Eltern aufgestempelt haben, so ist es noch schwerer hinzunehmen, dass ein Mensch, der in sich den starken Drang hat, auch eine Zweit-Person im "anderen" Geschlecht auf Dauer oder nur gelegentlich auszuleben, dafür nicht auch in seinen Papieren einen Zweit- oder Wahlvornamen führen darf.
Die häufig gegenüber TransVestiten höchst diskriminierenden Einstellungen und Behandlungsweisen von Behörden, Polizei usw. (und auch "Öffentlichkeit" und Medien) würden sich höchstwahrscheinlich bei solch einer gesetzlichen Regelung (hoffentlich) endlich grundlegend wandeln -- wenn auch wohl nur allmählich.

3.) Niemand hat das Recht Menschen in eine "eindeutige" sexuelle Zuordnung zu zwingen. Bi-Polarität muss auf alle Fälle als gesetzlich vorgesehene Möglichkeit nicht nur zugelassen, sondern auch GESCHÜTZT werden.
Begründung: Es ist eine nicht hinnehmbare Anmassung seitens der VerfasserInnen des eingangs erwähnten Appells, den Menschen, die sich nicht für eine Eindeutig-Machung ihres Körpers entscheiden, den Schutz eines neuen TransGender-Gesetzes absprechen zu wollen. Es darf in einem neuen TransGender-Gesetz KEIN PLATZ sein für die in einigen TransIdenten-Kreisen gehegte und gepflegte Operations-"Euphorie" (bis hin zum Operations-Meinungsdruck oder sogar zu "Operations-Fetischsmus")
Jeder TransGender-Mensch hat das Recht auf seinen ganz und gar individuellen Weg durchs weite Feld der Möglichkeiten zwischen den eindeutigen Geschlechtern.
-- Das kann der Weg sein "nur" Kleider und Outfit des Wunsch-Geschlechts zu wählen und (so weit als möglich) in der Rolle des Wunschgeschlechts zu leben. Dazu gebührt ihm/ihr dann auch ein Recht auf die Möglichkeit zum Wunsch-Vornamen als Zusatz-Vorname.
-- Das kann der Weg der Hormon-Therapie sein, die eine "optische" Anpassung körperlicher Merkmale an Merkmale des Wunsch-Geschlechts erreicht, und dabei die freie Wahl öffnen MUSS, SELBST zu entscheiden ob Vornamens-Änderung oder nicht, oder ob nur Zusatz-Vorname etc. ....
-- Das kann der heute medizinisch mögliche Weg von Hormon-Therapie und Anpass-Operation mit Personenstandsänderung sein ... Doch auch dieser bedarf DRINGEND der Befreiung von unnötigem Ballast, als da sind: Schikanen von Gutachtern, Schikanen von Krankenkassen, Schikanen von Behörden -- und vor allem bedarf es der Aufhebung der "Zwangs-Scheidung", die einen klaren Verstoss gegen Grundgesetz und Menschenrechte darstellt.
-- Das kann natürlich auch die Entscheidung sein, angeborene InterSexualität im vollen Bewusstsein der Grat-Wanderung zu akzeptieren und zu leben, dann aber auch mit dem Recht der vollen Anerkennung als "intersexuell", ohne zwangsweise Zuordnung in eine der unpassenden Schubladen von "männlich" oder "weiblich". DRINGEND muss der Zustand beendet werden, dass Ärzte und verstörte, oft hilflose Eltern bei Babies oder Kindern über deren Lebens-Schicksal entscheiden. InterSexuelle müssen das Recht bekommen, mit sich entwickelndem Selbst-Bewusstsein, auch SELBST über ihren Lebensweg entscheiden zu können.

Es ist wahrlich ein kaum hinnehmbares Zeichen von Intoleranz (um kein deutlicheres Wort zu wählen), wenn sich eine sehr kleine und auch sehr SPEZIELL indoktrinierte Gruppe von TransIdenten/Innen anmassen will, der breiten VIELZAHL von TransGender-Menschen ihr engmaschiges Vorurteil aufzustülpen.
Ein neues TransGender-Gesetz kann nur dann SINNVOLL sein, wenn es endlich der BREITEN VIELFALT der Natur-Realitäten zwischen hier "Mann" und dort "Frau" Rechnung trägt und dabei den Grundprinzipien einer modernen, freiheitlich denkenden OFFENEN Gesellschaft endlich ebenso Rechnung trägt wie dem Grundgesetz und den Menschenrechten. Aus diesem Aspekt heraus ist die WIRKLICHE NEU-Fassung des überholten und viel zu engstirnigen TransSexuellen-Gesetzes DRINGEND ERFORDERLICH.

Es kann dabei aber NICHT angehen, dass nur ausgewählte wenige Gruppen, vor allem solche, die sich lautstark artikulieren, also nur ein AUSSCHNITT des breiten TransGender-Bereichs, angehört und in die Gesetzes-Formulierung einbezogen werden. Das neue TransGender-Gesetz darf nicht wieder ein reines TransIdenten-Gesetz werden. Der Bezeichnung TransGender muss im Gesetzes-Inhalt und im Gesetzes-Geltungsbereich in VOLLEM UMFANG Rechnung getragen werden.

Bedauerlicherweise gibt es keine verlässlichen Statistiken, die Zahlen zum UMFANG (Vielfalt und auch "Mengen") des TransGender-Bereichs liefern könnten. Im Umlauf sind Zahlen wie etwa diese: Es gibt etwa 10 000 Intersexuelle in Deutschland. Es gibt etwa 80 000 bis 100 000 TransIdente/Innen in Deutschland. Es gibt etwa 2 000 000 tatsächliche oder potentielle TransVestiten in Deutschland (denen bislang weithin jeglicher "Organsiationsgrad" fehlt, die also bislang keine Lobby haben, die vorwiegend ihre gender'schen Grenzgänge im Verborgenen praktizieren). Über TransVestitinnen (DragKings, Butches, "Kesse Väter" etc) liegen unseres Wissens keinerlei Zahlen vor, aber es ist garade bei dieser Gruppe in letzter Zeit eine starke Outing-Bewegung zu registrieren. All diese Menschen haben es verdient und haben ein RECHT, endlich in rechtlich sicherem, menschenwürdigem Rahmen leben zu können.

Bitte sprechen Sie mich gerne an, wenn es darum geht, möglichst BREITE und VIELFÄLTIGE Aspekte des weiten TransGenderBereichs unters Dach des neuen TransGender-Gesetzes einfliessen zu lassen. Soweit es in meiner Macht steht, werde ich gerne bereit stehen, Informationen und ggf. auch Anregungen zu liefern, ggf. zusätzliche Kontakte herzustellen, und ggf. auch zur Meinungsbildung beizutragen.

Mit freundlichen Grüssen:

Charis Berger *)
Charis Berger, Herausgeberin und Chefredakteurin
TransGenderlife -Informations-System für ALLE TransGender

Posted by alex.here at 12:35 EM
September 11, 2002
Die Greterich-Frage

Es gab die hier eingestellten Debatten und Statements zum Thema "Richtige Transsexuelle vs. Perverse und so". Es gab kiloweise ähnliche Debatten ohne Ende. Und eines habe ich nie so recht verstanden ... warum ist da der Unterschied zwischen Transmännern und Transfrauen mal wieder so extrem groß?
Vielleicht als Vorbemerkung, ehe etwas mißverstanden wird: Was ich unten beschreibe, sind Tendenzen. Wie stark sich diese auf Einzelne auswirken, ist immer eine individuelle Sache. Folglich ist es auch eine sehr individuelle Sache, ob eine Transfrau zu der Über-Transsexuellen-Fraktion gerechnet werden muß, eine Leben-und-Leben-lassen-TS ist, oder eine der anderen möglichen Positionen zu sich selber und zu anderen einnimmt - und derer gibt es viele. Gleichfalls mögen Transmänner meistens sozialkompatibler erzogen worden sein; aber auch das hat weder in allen Fällen funktioniert, noch ist dies unter allen Umständen vorteilhaft.

  Aber woher kommt dieser Unterschied zwischen Transmännern und Transfrauen?
 Also, im Prinzip laufen die ganzen Formalien, einschließlich Diagnose und Gutachten, bei Transmännern ja nicht anders ab als bei Transfrauen, und auch für Transmänner gilt das TSG. Auch ein früher häufiger auftretendes Phänomen, nämlich daß Transmänner es schafften, das ganze Procedere durchzuziehen, ohne auch nur einmal bei einem der bekannten Trans-Fachleute zu landen, ist mittlerweile sehr selten geworden. Da kann es also nicht dran liegen.
 Es kann auch kaum daran liegen, daß die einen Testo bekommen, und die anderen Östro. Dann müßten sich die Ansichten prä- und post-Hormone ja unterscheiden. Tun sie aber eher selten.
 An den OPs kann's auch nicht liegen - zwar haben die meisten Verfechterinnen der "Rechte nur für F64.0"-Fraktion die GA, aber die haben auch viele, die nicht wirklich so etwas vertreten würden.
Außerdem gibt's auch sogenannte "Transgenderisten". (Zum Glück eher in den USA, bis jetzt ist das wohl noch nicht übergeschwappt. Möge es so bleiben.) Das sind Transgender, auch mal wieder bloß Transfrauen, die die Geschlechtsrolle gewechselt haben, oft auch nicht das Geringste mit "schrill" oder "bunt" zu tun haben, Hormone bekommen, oft auch die Epilation haben oder einen Brustaufbau, aber keine GA. Die vertreten dann die These, daß jede/r Trans*, der/die die GA machen läßt, irgendwie geistig minderbemittelt, auf's Patriarchat reingefallen oder sonstwas wäre. Also dasselbe in Grün wie die Über-TS-Fraktion, nur umgekehrt.
 Also, aus der Richtung ist es wohl nix.


Gibt's denn dann ähnliche Argumentationsführungen anderswo?
 Spontan fällt mir da genau ein Beispiel ein: Unter Schwulen gibt es eine ebenfalls nicht sehr große - und da auch nicht sehr laute - Minderheit, die genau so argumentiert! Eiguckemol.
 Was da die Sache und die "Argumente" sind? Na ja, es gibt doch ganz viele ganz normale Schwule, nicht wahr, die ganz normal sein wollen, und nur dieses ganz ganz kleine bischen anders als alle anderen Menschen. Und davon regen sich einige pünklich wie die Eieruhr zu jeden CSD und zu jeder schwulen (oder schwul-lesbischen, oder queeren etc) Veranstaltung auf, daß diese bösen bösen schrillen Schwulen, sei es nun die Federboa- oder die Lederfraktion, irgendwie ihren guten Ruf bei ihren Nachbarn gefährden würden, weil die Nachbarn ja dann alle Schwulen, auch die gaaanz anständigen und normalen, nicht wahr, für sowas komisches Schrilles halten müssen. (Und da ist derselbe dämliche Denkfehler drinne: Die Nachbarn sehen jeden Tag, daß die nicht mit der Federboa rumrennen, da braucht man sich gar nicht von FederboaträgerInnen zu distanzieren!)

Sollte an dieser Stelle irgendein debiler Idiot, ob mit oder ohne Professoren-, Doktor-, Dipl.-Psych.- oder sonstigem Titel auf die Idee kommen, das als "Beleg" dafür ranziehen zu wollen, daß es sich bei transsexuellen Frauen ja doch nur um Schwule mit einem Coming-Out-Problem handelt, möchte ich entgegnen, daß das genausogut ein Beweis dafür ist, daß Schwule ja nur Transsexuelle sind mit einem Coming-Out-Problem. Entweder das, oder wir haben wie meistens mal wieder einen Meter zu kurz gedacht!

 Also, für die weniger debilen Zeitgenossen, wir haben ein Problem: Die Über-Transsexuellen-Fraktion steht Schwulen (auch den "ganz normalen") ja mit der selben Toleranz und Freundlichkeit gegenüber wie den nicht-F64.0-Transgendern und überhaupt allem, womit sie jemals von irgendeinem eher marginal informieren Zeitgenossen in einen Topf geworfen werden könnten. Umgekehrt hat die "Hach, was bin ich doch normal" -Schwesternfraktion auch nicht mehr Symphatien übrig für Trans(wasauchimmer) aller Art, weil die generell des Federboatragens verdächtigt werden (und kein Gerichtsurteil oder Gutachten und keine OP der Welt wird daran was ändern). Und das schadet bekanntlich ja dem eigenen guten Ruf, deswegen sollte man das ja auch verbieten.

 Also, was haben diese beiden charmanten Gruppen gemeinsam?
Die Geschlechtsidentität offensichtlich nicht. Die sexuellen Präferenzen aber auch nicht unbedingt; weil nur die Über-Transsexuellen Heterosexualität als Beweis für "echtes Frau-Sein" verlangen, die selber zufällig auf Männer stehen. Über-TS, die auf Frauen stehen, verzichten aus naheliegenden Gründen auf dieses Kriterium.
 Es wäre natürlich möglich, daß das eine jener fürchterlichen Krankheiten ist, die auf dem Y-Chromosom liegen, aber dann müßten mehr Cis-Heteros davon betroffen sein. Bei denen würde mir im Moment aber nix einfallen, wo die so reagieren. Da mögen viele nicht grade Schwulen-Fans sein, aber das scheint ja auch so langsam entscheiden nachzulassen, die (ehemals?) allgemeine Homophobie.

 Ja, dann bliebe wohl nur noch eins: Die Vertreter beider Gruppen sind als Jungen aufgezogen worden, und haben irgendwann gegen essentielle Regeln für "Mann-Sein" grundlegend verstoßen - und das ohne eigene Verantwortung. (Also, Pullover-strickender Hausmann wird man(n), schwul oder trans* ist man (oder frau, je nachdem).)
 Transmänner und Lesben haben zwar in der selben elementaren Weise gegen die Regeln des "Frau-Seins" verstoßen - aber sie haben ein anderes Handicap nicht - "Frauen" sind eh nicht NORMal, denn die NORM ist immer noch männlich. Das würde dann die ausgesprochen geringe Anzahl von Transmännern erklären, die an sowas partizipieren. (Ich würde ja gerne sagen, es gibt gar keinen - aber da ist noch Fritze...)

 Dieses Kreuz der NORMalität bleibt also Männern vorbehalten, bzw. denen, die mal Männer hätten werden sollen. Und das trifft dann ja erstmal auch für Transfrauen zu. Insofern werde ich mir mal erlauben, in den nächsten Absätzen (spätere) Transfrauen mitzumeinen, wenn ich "Jungen" sage oder "Männer".

  Was also tut man vielen armen "Jungen" an, daß sie so dermaßen identitätsverunsichert werden?
  Was Männer gemeinhin tun, sagen oder denken, gilt als die Norm. Nur ist des Pudels Kern hier nicht das Wort Männer, und auch nicht Norm. Des Pudels Kern ist das Wort gemeinhin. Hält sich ein "Mann" oder ein "Junge" daran, gibts Zuckerbrot; die berühmten männlichen Privilegien. Nur, wehe dem armen "Mann" oder "Jungen", der sich nicht dran hält. Bei "Mädchen" schüttelt man meist - mindestens bis zur Pubertät - höchstens mit dem Kopf und sagt, das werde sich noch rauswachsen. (Und bis dahin haben die meisten dann genug Selbstbewußsein aufgebaut, daß es ihnen dann auch egal ist. In der Pubertät eh.) "Jungen" hingegen bekommen gleich eine ganze Latte an sozialen Sanktionen zu spüren. Ein "Mädchen" bleibt ein Mädchen, auch wenn es sich nicht "so" benimmt. Ein "Junge", der gegen die entsprechenden Konventionen verstößt, ist nicht nur kein Junge mehr. Der ist dann gar nichts mehr.
  "Jungen" und später auch Männer, die sich an die Konventionen halten, haben also wesentlich mehr zu gewinnen als Mädchen, und auch wesentlich mehr zu verlieren, wenn sie es nicht tun. Jedenfalls dann, wenn sie letztendlich auf Reaktionen von außen angewiesen sind, um selber zu fühlen, was sie sind. Und genau darauf werden "Jungen" gedrillt, damit das mit der "Normalität" auch funktioniert. Denn sich auf sich selber verlassen, und auf das eigene Gefühl, muß man ja erst lernen, was nicht erwünscht ist. Und warum sollte man dann, wenn man dadurch (erstmal) nichts gewinnen kann, aber vieles verlieren?

  Mädchen und Frauen hingegen sind ohnehin nicht "normal". Was sie tun, ist immer eine Abweichung, alleine schon dadurch, daß sie "Mädchen" sind. "Mädchen" bekommen (mindestens seit 30 Jahren jedenfalls, früher war das umgekehrt) viele verschieden Frauenbilder präsentiert. (Die Möglichkeiten für Männer sind entschieden enger. Glaubt's mir, ich weiß, wovon ich rede.) Und da sie von vorneherein zu mehr Empathie erzogen werde, begreifen sie auch schneller, daß sie zwar nie alle möglichen Ansprüche erfüllen können, die an sie gestellt werden, aber sich zwischen vielen Möglichkeiten entscheiden können, ohne den Status als "Mädchen" oder "Frau" zu verlieren; und den Status "gar nichts mehr" bekommen "Mädchen" ohnehin so gut wie nie zugewiesen. Sie sind nicht NORMal, und auf gewissen Rangskalen (aber auch nicht allen) mögen sie weiter unten stehen als "richtige Männer", aber sie fallen eben nicht gänzlich raus.

  Übrigens hat diese NORMalität bei vielen Transfrauen noch einen anderen Nebeneffekt: Nämlich den, daß Transmänner im Weltbild vieler Transfrauen überhaupt nicht existieren. Das geht so weit, daß manche sogar regelrecht sauer werden, wenn sie darauf hingewiesen werden, daß ein Satz wie: "Alle Transsexuellen wollen doch nur als Frauen anerkannt werden." nicht so recht stimmt. Das will nur die eine Hälfte. Es sei ihnen schließlich nicht zuzumuten, kommt dann auf Einwände, immer an "andere" mitzudenken, mit denen man sich eh nicht identifizieren könne. Komisch nur, daß Transmänner das selbe Problem nicht haben. Ich habe noch nie einen Transmann erlebt, der überhaupt daran dachte, einen Satz wie: "Alle Transsexuellen wollen doch nur als Männer anerkannt werden." äußerte. Es passiert einfach nicht. Und die meisten Transmänner erwähnen, wenn sie über Trans* mit anderen sprechen, wenigstens mal Transfrauen, und daß da vieles anders ist. Sie denken einfach dran. So haben manche angeblichen Nachteile auch definitiv ihre Vorteile. Schließlich bedeutet sich einen Bart wachsen zu lassen nicht, daß man deswegen auch zwangsläufig zu einem unsensiblen Rüpel mutieren muß.

 Aber was passiert jetzt, wenn sich ein "Junge" oder "Mann" für einen Geschlechtsrollenwechsel entscheidet?
Er verliert meist erstmal, und zwar auf der ganzen Linie, und zwar um so mehr, je mehr "er" früher diese Normen übernommen hat, und also Anerkennung und Erfolg durch seine NORMalität bekommen hat; und je weniger sein Selbstwertgefühl auf eigenen Maßstäben beruhte.
  Wer also sein Selbstwertgefühl als "Mann" daraus bezog, daß "er" nach Aussagen seiner Umwelt ein "richtiger Mann" sei, wird nach dem Wechsel leicht in Versuchung kommen, genau das selbe zu versuchen, um die Anerkennung als Frau, die sie ja noch viel dringlicher ersehnt, zu bekommen. Das gilt erst recht, wenn ihr mit dem sozialen Wechsel auch noch andere stabilisierende Faktoren abhanden kommen, wie Familie, Freunde oder Arbeit. Und auch dafür ist das Risiko bei Transfrauen größer.
  Alternativ kann "er" früher eben diese Anerkennung vermisst haben, weil es "ihm" eben nicht gelang, diese Anforderungen zu erfüllen. Dann will sie sie jetzt aber erst recht haben, schließlich ist das Problem ja jetzt benannt und wird durch OP und Gerichtsurteil gelöst. (So die offizielle Version, an die zu glauben nicht nur äußerst verlockend ist, sondern auch wesentlich einfacher, als sich selber eine Meinung zu bilden.)

  Das bedeutet, daß solche Transfrauen versuchen werden, dem Bild einer "richtigen Frau" soweit als möglich zu entsprechen, um das Feedback zu bekommen, das sie zur Bestätigung ihrer Weiblichkeit benötigen, wie sie das Feedback ja auch benötigten oder benötigt hätten, um sich als "Mann" oder wenigstens "in der männlichen Rolle" fühlen zu können. Diese Sache hat nur einen ganz entschiedenen Haken:
   Es gibt nicht das allgemein anerkannte Bild einer "richtigen Frau".
 Und anstatt diese Freiheit zu geniessen, und sich das beste aus allen Möglichkeiten rauszusuchen, versetzt das viele Transfrauen in Angst, und einige in Panik. Dann wird aus einer Menge unrekflektierter Ideen das richtige Bild einer richtigen Frau postuliert, und dieses Bild wird mit aller Macht versucht zu erreichen. Das Problem mit dem Bild ist nur leider meistens, daß es eben aus unreflektierten Versatzstücken besteht, die oft weder zusammen- noch zu dieser Person passen. Und, nicht weniger gewichtig, daß diesem Bild meistens wichtige Teile fehlen.
 Wenn es nur die Optik wäre, die an dem Bild nicht stimmt, wäre das schon schlimm genug. Aus den meisten Transfrauen bekommt kein Chirurg, keine Boutique und kein Make-Up der Welt eine Claudia Schiffer gezimmert. Das wäre nicht so schlimm, denn auch Cisfrauen sehen eher selten aus wie Claudia Schiffer. Selbst Claudia Schiffer sieht um 7 Uhr morgens nicht aus wie Claudia Schiffer. Aber die eine oder andere Transfrau läßt eine OP nach der anderen über sich ergehen, oder hat ganze Kleiderschränke voll mit Sachen, die sie irgendwie mit "Weiblichkeit" verbindet, weil sie sich nicht vorstellen kann, als Frau eben nicht so auszusehen wie ihr Traumbild. Aber zum Glück kommt zu so einem Äußeren meistens soviel Feedback, daß die schlimmsten Exzesse irgendwann der Vergangenheit angehören. Leider nur meistens; respektive sind manche Transfrauen auf dem Ohr auch taub. Schließlich wissen sie, wie eine richtige Frau aussieht!
 Aber schlimmer als die Optik sind ganze Lebensentwürfe, die nicht hinkommen. Wie viele Transfrauen stehen im Beruf, meistens nicht unbedingt ein typischer Frauenberuf (sind eh zu schlecht bezahlt), eigentlich mögen sie ihren Beruf auch, auch ihre Job und ihre Kollegen und alles. Trotzdem jammern sie immer wieder, daß sie lieber eine "richtige Frau" wären, die das Haus in Ordung hält und für ihren Mann sorgt. An denen ist eindeutig vorbeigegangen, daß "Heimchen am Herd" nicht mehr so unbedingt als das Rollenmodell für Frauen gilt. Außerdem ist das ein ziemlich langweiliger Job. Auch wenn es genug Cismänner gibt, die nichts als verzogene Rotzbengel sind, ist aus der Versorgung eines solchen, auch einschließlich Wohnung oder Haus, kaum ein Vollzeitjob zu machen. Würden diese Transfrauen das jemals bekommen, wovon sie glaube, es sich zu wünschen, würden sie nach vier Wochen wieder das Jammern anfangen - dann aber richtig, und mit richtig gutem Grund.

Aber so schlimm diese seltsamen unreflektieren Versatzstücke sind, meistens schneiden sich die Transfrauen damit nur ins eigene Fleisch. Schlimmer sind die fehlenden Teile:
 Es unterscheidet sich das durchschnittliche weibliche vom durchschnittlichen männlichen Sozialverhalten doch ganz beträchtlich. Da das aber einerseits nichts ist, was man anfassen kann, und andererseits, wie bereits gesagt, "Männer" eben nicht darauf gedrillt werden, Kritik am Sozialverhalten überhaupt zu erkennen, eben weil "Männlichkeit" an Äußerlichkeiten gemessen wird, fällt manchen Transfrauen nicht einmal auf, daß und wo eine gewisse Diskrepanz vorliegt zwischen ihrem Verhalten und dem, was von Frauen erwartet wird. (Etwas gänzlich anders ist es übrigens, wenn eine Transfrau zwar den Unterschied zwischen einem "männlichen" und einem "weiblichen" Verhalten in einer bestimmten Situation kennt, sich aber für das "männliche" entscheidet. Das tun auch Cisfrauen häufig.)
 Wenn man diese Diskrepanz schlicht nicht wahrnimmt, und automatisch schon deswegen, weil man schließlich jetzt so ausschaut, vielleicht auch so heißt oder wenigstens ein paar "offizielle" Bestätigungen in der Tasche hat, annimmt, daß jegliches Verhalten, das man an den Tag lege, "weiblich" sei und auch so wirke (früher hatte das ja weitestgehend auch so funktioniert, oder hätte es wenigstens sollen), wird man dann meist sehr unangenehm überrascht. "Wenn du mich jetzt nicht endlich wie eine Dame behandelst, haue ich dir einen in die Fresse!" führt nicht wirklich zu einer Anerkennung als Frau. (Ist übrigens ein wirkliches, echtes Zitat - wenn auch von einem recht extrem - ähm, sagen wir mal, intellektuell herausgeforderten Fall.) Das funktioniert auch nicht, wenn man es etwas dezenter formuliert.

  An dieser Stelle gibt es Transfrauen, die merken, daß da irgendwas nicht stimmt, und nochmal zurück ans Reißbrett gehen. (Bis dahin sind ohnehin schon lange nicht alle gekommen!) Aber nicht alle.
 Manche begreifen es anscheinend nie. Und bei denen muß man sich dann noch einmal verdeutlichen, was da zusammenkommt:

  • Ein ernsthaftes Defizit an Empathie, zum einen anerzogen, und zum zweiten wohl häufig auch in mangelndem Selbstwertgefühl begründet.
  • Ein unreflektiert zustande gekommenes Frauenbild, das selten positives Feedback produziert.
  • Ein Sozialverhalten und Reaktionsmuster, die dito nicht eben für positives Feedback sorgt.
  • Und natürlich das bei jedem Menschen vorhandene Bedürfniss nach positivem Feedback.

Eine reaktionsfreudige Mischung ...

 An dieser Stelle wäre es wohl sinnvoll, darzulegen, auf welche klassisch "männlichen" Reaktionsmuster da meiner Erfahrung nach zurückgegriffen wird (meist weil das Vorhandensein von "weiblichen" oder auch nur anderen Reaktionsmuster schlicht unbekannt ist):

  • Schuld ist immer jemand anders
    Die angebliche männliche Vorliebe, Verantwortung zu übernehmen, hat eindeutig ihre Grenzen - spätestens wenn etwas schiefgeht. Frauen hingegen neigen dazu, Verantwortung auch dann zu übernehmen, wenn beim besten Willen nicht einzusehen ist, warum.
    Die Standardzutat für dysfunktionale Familien.
  • Was NORMal ist, bestimme ich
    Schließlich war ich früher "Standard", dann muß ich es auch heute noch sein. Oder: Früher war ich es nicht, dann will ich es jetzt endlich sein.
  • Unnormale Menschen haben keine Rechte
    Wenn man gar nichts ist, wenn man kein "richtiger Mann" ist, ist man auch gar nichts, wenn man keine "richtige Frau" ist. Und überhaupt, alle anderen finden das ja (angeblich) auch.
  • Wer am lautesten brüllt und/oder die meisten Verbalinjurien in einem Satz unterbringt, hat gewonnen
  • Wer nicht für ist, ist gegen mich
  • Was ich jetzt sage, gilt.
    Wer mich an Widersprüche zu anderen Aussagen von mir erinnert, ist gegen mich.

Was daraus folgt: Wenn eine solche Transfrau ein Problem hat, ist es irgend jemand anders schuld. Immer. Fragt sich nur, wer. Wen nehmen wir denn da ...? Und so sitzt sie da und überlegt:

Andere Transfrauen schlüge zu schnell auf mich selbst zurück. Cisgender, Frauen wie Männer, sind auch nicht gut, weil von denen möchte ich ja Anerkennung. Transmänner existieren eh nicht, und außerdem ist da eine Schuld wirklich beim besten Willen nicht hinzubiegen. Bleibt nicht viel. Oder doch? ...
Da sind doch noch die Leute, die keine richtigen Männer sind (und somit ja eh Freiwild) und natürlich, da anders als ich, auch keine richtigen Frauen. Dieses Pack, mit dem man mich entweder früher glattwegs verwechselt hat (oder ich mich selber, aber das verdrängen wir besser) und von dem ich mich zwecks der Bescheinigung meiner Identität ja auch distanzieren mußte ... Hach, sind das nicht die idealen Opfer? Die hasst doch sowieso jeder! Diese ganzen perversen Schwuchteln und Tunten und Transvestiten und neuerdings auch noch Transgender, was immer das sein soll.
KLATSCH PATSCH DRAUGEHAUEN!
Und jetzt geht es mit besser, und nun werden mich endlich auch die anderen als ganz normale Frau anerkennen, weil da habe ich ja jetzt den endgültigen, schlüssigen Beweis für geliefert: Erstens sieht man, daß ich eine Frau bin, zweitens habe ich dafür Bescheinigungen, und drittens habe ich mich doch grade hinreichend von denen distanziert, mit denen man mich irgendwie beim Bestehen irgendwelcher Zweifel verwechseln hätte können.

  Schade nur, daß das nicht funktioniert. Unter (Cis-)Männern - und nur unter (Cis-)Männer - mag sowas funktionieren. Da mag es auch zum akzeptablen Verhalten gehören, jemanden zu verdreschen, wenn man sich grade schlecht fühlt. (Wenngleich das auch eine aussterbende Art ist, die keiner vermissen wird.)
  Nur leider funktioniert genau das bei Frauen eben nicht. Das liegt zum einen daran, daß von Frauen nicht erwartet wird, und meist auch nicht gutgeheissen, wenn Distanzierungen allzu heftig ausfallen. Nicht ohne Grund sind die Lesben, die eine ähnliche Ausgrenzungsmanie pflegen (die einzige Gruppe Cisfrauen, die diesen Stil pflegt), weder bei anderen Lesben (der Mehrheit), noch bei Schwulen, und erst recht nicht bei Stinos beliebt. Letztere nennen solche Lesben (oder gleich, pars pro toto, alle Lesben) Mannweiber. Was zwar Quark ist, aber eben zeigt, daß gewisse Verhaltensmuster bei Frauen eindeutig "unweiblich" wirken. Zum anderen passt der Stil überhaupt nicht in das gesamte Muster, was "Mädchen" anerzogen bekommen, und zwar so wenig, daß es großer Anstregungen bedarf, um so etwas als Frau überhaupt zu können. (Mir fällt auch nach längerem Nachdenken kein Beispiel ein.) Man mag sich über den Sinn und Wert solcher Zuordnungen streiten, sollte sie aber kennen, wenn man auf diese Art unbedingt seine Weiblichkeit beweisen möchte. Der Schuß geht dann nämlich nach hinten los.

 Und es nützt auch bei denen nichts, die potentiell dumm oder uniformiert genug sind, Schwule, Tunten, TVs und TS nicht auseinanderhalten zu können. Denn die überzeugen (mehr oder weniger) weibliches Aussehen genausowenig wie irgendwelche Papiere. Vor allem die Überzeugungskraft irgendwelcher Bescheinigungen, Gutachten und Gerichtsurteile wird meist stark überschätzt, denn die Leute haben es nicht mit Bescheinigungen, Gutachten und Gerichtsurteilen zu tun, sondern mit Menschen. Die müssen überzeugen. Und da sind klassisch männliche Rüpelmanieren ein eher ungeeingetes Werkzeug, von der eigenen Weiblichkeit zu überzeugen. Für irgendwelche geschlechtsangleichenden Eingriffe gilt übrigens das selbe. In Anbetracht der Tatsache, daß der durchschnittliche Mensch Genitalien aller Art eher selten zu sehen bekommt, bedeuten die für ein Urteil für die meisten Menschen relativ wenig; und dem durchschnittliche Mensch ist auch bekannt, daß es Genitalien in allen Variationen gibt (She-Males dürften die bekannteste Variante sein, ob es einem gefällt oder nicht). Also wieso bitteschön sollten ihn die Genitalien von etwas überzeugen, wovon der Rest nicht überzeugen kann?

  Die ganze schöne Distanzierungsarbeit ist also letztendlich für die Katz'. Und frau mag sich für eine kurze Weile besser fühlen, wenn sie es "diesen Perversen" mal wieder richtig gezeigt hat. Mehr bringt das aber auch nicht. Es bringt nicht einmal Freunde, die genauso denken. Denn diese Freundschaften - wie schon x-mal gesehen - halten selten lange. Denn unweigerlich bricht der Krieg aus, wer denn nun die wirklichste (Trans-)Frau ist. Und das kann nur eine sein. Was immer sie davon hat.


Ich habe in diesem Text einen Aspekt nur ganz am Rande gestreift - den Einfluß, den die Meinungen von "Experten" haben auf das Selbstbild und dessen notwendige Entwicklung während des sozialen Wechsels, sowie auf Entscheidungen sowohl bezüglich des eigenen Weges als auch von sozialen und politischen Aktivitäten.
Dieser ist aber, obwohl er in diesen Fällen einiges zu den geschilderten Reaktionen beitragen dürfte, ein eigenes Feld, das an an anderer Stelle bearbeitet werden sollte.

Posted by alex.here at 12:36 FM
September 10, 2002
Der Appell des Schreckens VII

Oops... da hatte ich die folgenden Beiträge immer noch nicht eingestellt. Schlafmütze, ich. Dabei sind die Beiträge von Angelika die einzigen, die sich zunächst nicht komplett von dem Appell distanzierten. Aber lest selber:



From: "angelika_lr"
Date: Tue, 27 Aug 2002 22:52:53 -0000

Hallo Alex, hallo Leute!

Nun kommt mal wieder runter! Es ist sicher kein "faschistoider Scheiss", wenn sich jemand dagengen wehrt, dass sein/ihr Weg, der weissgott alles andere als leicht war, einer oberflächlichen Beliebigkeit anheimgestellt wird. Und das gleichzeitige Absprechen der Zurechnungsfähigkeit (Stichwort Psychiatercouch) ist aus meiner Sicht auch nicht so wahnsinnig weit von faschistoidem Gedankengut oder zumindest solcher Argumentationsweise entfernt. Auch die Erklärungen der Beifallklatscher klingen für mich nicht so wahnsinnig viel besser.

Dass ein derartiger Appell auf die Verfechter eines "dritten Geschlechts" (oder vierten, fünften ...oder was weiss ich) wie ein rotes Tuch wirken muss, erscheint eigentlich logisch. Es ist nun mal nicht jedermanns/-fraus Sache, heute Mann, morgen Frau, übermorgen Elefant, einen Tag später Krokodil oder irgendwann einmal Küchenschrank sein zu wollen. Manche empfinden nun mal das Gerede vom "Niederreissen der Geschlechtergrenzen" nicht als das, was anzustreben wäre, ich selbst im Übrigen auch nicht. Dass es derarige Lebensentwürfe gibt, muss wohl akzeptiert werden, aber zu tun muss ich damit wohl nichts haben.

Natürlich halte ich die Bemerkung, dass sich das Begutachtungsverfahren im Wesentlichen bewährt habe, für ziemlich zynisch. Auch wenn ich selbst im TSG-Verfahren (weder für VÄ, noch für PÄ) damit keine allzugrossen Probleme hatte, weiss ich doch, dass gerade da jeglicher Willkür Tür und Tor geöffnet ist und diese "Gelegenheit" auch zuweilen genutzt wird.

Viele Grüsse von

Angelika



Worauf Paul antwortete:

From: "Paul R. Sass"
Date: Wed, 28 Aug 2002 01:30:51 +0200

Es ist nun mal nicht jedermanns/-fraus Sache, heute Mann, morgen Frau, übermorgen Elefant, einen Tag später Krokodil oder irgendwann einmal Küchenschrank sein zu wollen.

1. es geht weder um heute hü und morgen hott noch soll es pflicht für alle werden sondern nur alle möglichkeiten denen bieten die sie nutzen möchten

2. selbst wenn es hü und hott wäre:
du möchtest leben wie du lebst und das dies so akzeptiert und respektiert wird andere wollen das eben auch nur denken die oder leben diese anders und wollen eben nicht definitiv a oder b sein sondern eben mal a und mal b oder gar c ...

ich finde IMHO leben und leben lassen - es soll jede(r) leben, wie er/sie/es möchte - solange er/sie/es dabei die selben grundsätze auch für alle anderen gelten lässt und dadurch nicht die rechte anderer beschneidet

ich glaube _nicht_ das es ein _recht_ auf ein erkennbar eindeutiges geschlecht meines etwaigen gegenüber gibt - und so sollte es auch bleiben ...
respektive das gegenteil - also das recht auf die freie definition einer jeden person für sich selbst ohne schubladenvorgaben - das wäre mal eine revolutionäre neuerung

liebe Grüsse,
Paul


To: trans-gruppen@yahoogroups.de
Subject: [tg] Betrifft: Anfrage wegen "Appell an die Parteien des deutschen Bundestages"
From: "angelika_lr"
Date: Fri, 30 Aug 2002 17:16:15 -0000

Hallo Alex!

Natürlich kannst Du auch meinen Beitrag auf Deine Seite setzen.
Nur weiss ich natürlich nicht, inwieweit er mit der von Dir festgestellten Einmütigkeit harmoniert. Auch zu den ?Stimmen aus der Gruft? lässt er sich nicht so ohne weiteres einordnen.

Hoffentlich beleidigt es Dich nicht allzusehr, wenn ich feststellen muss, dass mich das Ganze vom Stil her ein wenig an eine von oben inszenierte Leserbriefkampagne des ?Neuen Deutschland? (für diejenigen, die nicht wissen sollten, was das ist: Das war das zentrale Presseorgan der Parteiführung der SED in der damaligen DDR) erinnert. Aber eine Zensur der Beiträge traue ich Dir natürlich nicht zu.

Wenn hier manche die Sache einfach so als nicht diskussionswürdig und damit erledigt abtun, überrascht mich das speziell hier in diesem Forum dann doch nicht allzusehr. Schliesslich sind ja gerade die in diesem
Appell genannten Leute hier aus meiner Sicht doch etwas stärker vertreten, als in der Gesamtbevölkerung (auch derer, die mit der TS-Problematik zu tun haben).

Als ich diesen Appell las, hatte ich diesen eigentlich fast schon unterschreiben wollen. Aber die von mir bereits erwähnte Passage, nach der sich die bisherige Begutachtungspraxis in der Regel bewährt habe,
liess mich davor zurückschrecken. Bei genauerer Betrachtung stellte ich auch noch ein paar andere Ungereimtheiten fest. Zum Beispiel ist da die Tatsache zu nennen, dass man/frau mit diesem Appell ja in
irgendeiner Weise den Versuch macht, Politiker und damit die Gesetzgebung zu beeinflussen. Inwieweit das von Erfolg gekrönt sein kann steht zwar auf einem andern Blatt, aber der Versuch wurde ja gemacht.
Vom Gefühl her stehe ich natürlich auch auf dem Standpunkt, dass ich als TS nach erfolgter Op. und PÄ anderes zu tun habe, als die Befindlichkeiten von aus (meiner Sicht) Spinnern zu teilen, aber mit
Gesetzen dagegen vorzugehen verträgt sich nun überhaupt nicht mit meiner demokratischen Grundauffassung.

Ich gebe zu, dass ich persönlich so meine Probleme mit Anhängern eines ?dritten Geschlechts?, Tranvestiten oder anderen Exoten habe.
Ich strebe einfach nur an, mich als Frau (meinetwegen auch als Transfrau, wenn es denn sein muss) so weit es geht in die Gesellschaft zu integrieren, was mir im wesentlichen bisher auch gelungen ist. Ich
habe keine Lust, am Rande der Gesellschaft in einem Ghetto zu leben. Das genau würde nämlich passieren, wenn ich mich in eine Reihe mit allen möglichen berufsmässigen Bürgerschrecks stellen
würde. Und wenn dann mal anlässlich eines CSD oder einer anderen derartigen Veranstaltung von der Mehrheit der Bevölkerung zum Zwecke der Toleranzdemonstration die eine oder andere Streicheleinheit kommt, ändert das doch trotzdem nichts daran, dass man/frau dabei wie in einem Zoo bestaunt wird.

Viele Grüsse von

Angelika



Und als letzter Beitrag einer von Michi, die auf Angelika antwortete. Danach kam zum Appell selber nix mehr, nur auf der Darklahn eine recht interessante Debatte, die aus dem Appell entstanden war, und sich im Moment vor allem um die Frage "Personenstandsänderung für Non-OP-Transfrauen" dreht.

Hallo Angelika!

Hoffentlich beleidigt es Dich nicht allzusehr, wenn ich feststellen muss, dass mich das Ganze vom Stil her ein wenig an eine von oben inszenierte Leserbriefkampagne des ?Neuen Deutschland? [...]

Das ging mir beim ersten Durchlesen so ähnlich ( das Werk ist die reinste Provokation!), allerdings hatte ich Alex da nicht in Verdacht!!! Als ich dann sah, wer das Dings verfasst hat, habe ich das für mich sofort abgehakt und in die Tonne gehauen!! Mit TK über Toleranz zu diskutieren ist geradezu verschwendete Zeit.

Wenn hier manche die Sache einfach so als nicht diskussionswürdig und damit erledigt abtun, überrascht mich das speziell hier in diesem Forum dann doch nicht allzusehr.

.. wie schon geschrieben, es kommt halt oft auf den/die Verfasser an!

Schliesslich sind ja gerade die in diesem Appell genannten Leute hier aus meiner Sicht doch etwas stärker vertreten, als in der Gesamtbevölkerung (auch derer, die mit der TS-Problematik zu tun haben).

hmm... ja, mag sein. Ich habe mir eigentlich noch nie Gedanken darüber gemacht, ob es *richtige* oder *falsche* Transen gibt; solche Diskussionen öden mich einfach an. Und es ist mir eigentlich auch wurscht, ob mich irgendwelche Spinner eine Spinnerin nennen oder nicht!

Als ich diesen Appell las, hatte ich diesen eigentlich fast schon unterschreiben wollen. Aber die von mir bereits erwähnte Passage, nach der sich die bisherige Begutachtungspraxis in der Regel bewährt habe, liess mich davor zurückschrecken..

prinzipiell ist die Aussage ja richtig; kommt eben immer drauf an, von wo aus man schaut.Allerdings halte ich das ganze Verfahren auch für ziemlich überzogen; mit Kanonen auf Spatzen geschossen....
Und nachdem ich mich da hindurch gewühlt habe, kann ich das auch beurteilen!

Bei genauerer Betrachtung stellte ich auch noch ein paar andere Ungereimtheiten fest. Zum Beispiel ist da die Tatsache zu nennen, dass man/frau mit diesem Appell ja in irgendeiner Weise den Versuch macht, Politiker und damit die Gesetzgebung zu beeinflussen. Inwieweit das von Erfolg gekrönt sein kann steht zwar auf einem andern Blatt, aber der Versuch wurde ja gemacht.

na ja, das ist doch nichts besonderes und auch jedermanns/jederfraus gutes Recht, oder?

Vom Gefühl her stehe ich natürlich auch auf dem Standpunkt, dass ich als TS nach erfolgter Op. und PÄ anderes zu tun habe, als die Befindlichkeiten von aus (meiner Sicht) Spinnern zu teilen,

hast Du sie vorher geteilt? Hier geht es doch gar nicht ums teilen; hier gehts doch einfach darum, jeden Menschen nach seiner Facon leben zu lassen und ihm nicht noch von staatswegen an allen Ecken Knüppel zwischen die Beine zu werfen, oder? Zumal die Toleranz innerhalb der Gesellschaft T*'s gegenüber wesentlich grösser ist als die unserer Vordenker!! (Ich lebe in Bayern; hier ist diese Diskrepanz besonders krass!!)
Und mal ganz unter uns: die Befindlichkeiten anderer tangieren mich bestenfalls peripher! Ich kann sie über weite Strecken eh nicht nachvollziehen und muss es auch nicht. Mir reicht es, wenn ich mich mit
meinen eigenen rumschlagen muss...


aber mit Gesetzen dagegen vorzugehen verträgt sich nun überhaupt nicht mit meiner demokratischen Grundauffassung.

... aber ganz genau!!! Schliesslich und endlich beziehen wir ja auch eine gute Portion Legalität aus einem Gesetz; dem TSG.

wobei sich dabei dann aber die interessante Frage stellt, ob das TSG selbst nicht eigentlich genau ein solches Gesetz ist, welches die Befindlichkeiten von irgendwelchen Exoten *einsortiert*
Frei übersetzt besagt das TSG nicht mehr als:
"Wenn Du in dieser Gesellschaft einigermassen in Frieden leben willst, kannst Du das nur als Frau oder als Mann; was anderes ist nicht vorgesehen. Und wenn Du als Mann ( resp.Frau) nicht hinbekommst, musst Du es eben als Frau (resp.Mann) tun. Und dann verlangen wir von Dir als Nachweis...(grumpf, würg, kotz)... und wenn Du das nicht auf Dich nehmen willst, dann tut es uns leid!!!!" .. aber such nicht weniger.

Dazu vielleicht noch ein Spruch, den ich während meiner Outings von einem Bekannten zu hören bekam:
"Das Gesetz ist abstrus; da wird doch nur versucht das AbNorme irgendwie zu Legalisieren und Normalisieren"

Na ja, so ganz unrecht hat er nicht; was tut denn das TSG anderes, als ein an sich längst in Frages gestelltes Geschlechtersystem (m/w) und ein wirklich antiquarisches Namensrecht zu zementieren, indem es bestimmte Ausnahmen zulässt?!?

Aber gut, nachdem man die ganzen Prozeduren durchlaufen und alle geforderten Papiere und Stempel beigebracht und alle Gebühren entrichtet hat, ist man(n) dejure eine Frau; gaaaanz toll!!Staatlich
anerkannt!!! Und defacto?
Wenn Du, wie Du weiter unten schreibst, wirklich als Frau in die Gesellschaft integriert bist, dann wirst Du wissen, was ich meine, oder?
Wie begrenzt unsere Möglichkeiten als Frau sind merkst Du schnell, wenn Du mal *under_cover* in einer DAmenrunde bist. Die Gemeinsamkeiten - der gemeinsame Erfahrungsschatz - reichen nicht sehr weit, und Du musst schon gut improvisieren können, um under cover bleiben zu können. Und solltest Du Dich dann mal mit einem Mann einlassen.. under cover ...

Ich gebe zu, dass ich persönlich so meine Probleme mit Anhängern eines ?dritten Geschlechts?, Tranvestiten oder anderen Exoten habe.

Einverstanden, habe ich auch; aber nicht grundsätzlich, sondern wenn, dann immer auf das einzelne Individuum bezogen und unabhängig davon, in welche der tollen T*-Schubladen es sich einsortieren! Es gibt durchaus TV's, wo ich sage: "Klasse! Der bringt das super rüber!" andererseits gibt es durchaus *richtige* (F64) Transen, die mir Probleme verursachen.
Von einem 3.Geschlecht halte ich auch nichts; weil die Anerkennung oder Definition eines solchen automatisch zur Folge hätte, dass wir noch ein paar mehr bräuchten! Und damit wären wir kein Stück weiter. Wenn überhaupt, dann würde ich eine Ausnahme ehesten für IS sehen; obwohl ich über die Erscheinungsformen dieser Spezies nicht genug weiss.

Ich strebe einfach nur an, mich als Frau (meinetwegen auch als Transfrau, wenn es denn sein muss) so weit es geht in die Gesellschaft zu integrieren, was mir im wesentlichen bisher auch gelungen ist.

.. prima, Glückwunsch! Aber DAS hat nur peripher mit dem TSG und seinen Errungenschaften zu tun, oder?

Ich habe keine Lust, am Rande der Gesellschaft in einem Ghetto zu leben. Das genau würde nämlich passieren, wenn ich mich in eine Reihe mit allen möglichen berufsmässigen Bürgerschrecks stellen würde. Und wenn dann mal anlässlich eines CSD oder einer anderen
>derartigen Veranstaltung von der Mehrheit der Bevölkerung zum Zwecke der Toleranzdemonstration die eine oder andere Streicheleinheit kommt, ändert das doch trotzdem nichts daran, dass man/frau dabei wie in einem Zoo bestaunt wird.

na ja, das ist aber jetzt schon eine recht verbissene Einstellung; aber davon ab, der Zoo kann Dich auch ohne CSD und ähnliches erwischen, oder?

soweit meine 2cts zum Thema; und nix für ungut.

liebe grüsse
michi, die aus Oberbayern.

Posted by alex.here at 01:11 EM
September 07, 2002
Wahl-O-Mat

Der Wahl-O-Mat ist ein recht interessantes Teil - die Macher haben die Parteien um Stellungnahmen zu 27 Fragen gebeten, und man kann nun feststellen lassen, welche Partei den eigenen Vorstellungen am besten entspricht. (Wobei die Macher wesentlich mehr Fragen gestellt hatten - aber nicht alle Parteien konnten oder wollten alle Fragen beantworten.)

Das Ergebnis war interessant - ich wußte gar nicht, daß ich so viel mit der FDP gemeinsam habe an Positionen. Wobei sich aber bei genauerer Prüfung ergab, daß es nicht grade die entscheidenen Positionen sind, die ich mit dieser Jux-Partei teile.
So sind die FDP und ich dafür, daß die Läden auch Sonntags aufhaben können - nicht wirklich ein Grund FDP zu wählen, denn "mehr Eigenbeteiligung im Gesundheitsbreich" würde uns eventuell recht früh treffen, und die Ökosteuer ist noch lange nicht hoch genug! Und auch daß die eingetragene Lebenspartnerschaft ein Insitut minderer Rechte bleiben soll, ist eine Position, die ich nicht wirklich teile. Neben so einigen anderen. In der Transgender-Frage kann man die FDP wohl vergessen ... Siehe Antwort auf den 4. Wahlprüfstein des LSVD. Auch nicht ganz unwichtig.

Aber auch den roten Socken beider Couleur stehe ich angeblich nahe. Nun ja ... vielleicht ist mein Blick auf die Tante SPD ja auch dadurch stark getrübt worden, daß ich die interne Arbeit dieses Ladens bereits miterleben durfte (ohne jemals Mitglied gewesen zu sein, selbstverständlich). Aber auch hier gefällt mir, logisch, die Stellung zur ELP nicht, und ob die Wehrpflicht noch was taugt, ist eine gute Frage. Als "Schule der Nation" hat sie schließlich ausgedient, und man jeden jungen Mann in D verpflichten kann, z.B. in Afghanistan für Ordnung zu sorgen (oder so) bezweifle ich dann doch ganz entschieden. Und natürlich ist die SPD - wie alle Mitte-Links - Parteien gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes. Alles Schnarchnasen, die noch nie mit jemandem arbeiten mußten, der in den fünf Minuten zwischen Frühstücks- und Mittagspause bitte nicht belästigt werden will. Davon abgesehen, daß so wie der Kündigungsschutz in D aussieht, ich auch keine Leute einstellen würde, wenn es sich irgendwie vermeiden ließe, wenn ich in der Lage dazu wäre. Aber da müssen halt Besitzstände gewahrt werden.
In der Transgender-Frage ist die SPD, oder wenigstens Teile davon, ehrlich bemüht. Die Frage ist nur, ob diese Teile sich gegen jene durchsetzen können, die eine Reform des TSG in der jetzigen Legislaturperiode schon verhindert haben, weil man "ja schließlich schon ein Gesetz für Perverse gemacht hat".

Die PDS hat zwar eigentlich nicht so viele Besitzstände zu wahren, aber eine Tradition. Bzw. die Tradition, welche sie mit der Zwangsvereinigung der Vorgängerparteien faktisch aufgab, aber macht ja nix. Dazu noch ein guter Schuß Sozialromantik und fertig ist eine "linke Alternative". Kommt nur leider manchmal eher linkisch als links rüber. Und diese pseudo-pazifistische Position (die nicht abgefragt wurde) zu Auslandseinsätzen gefällt mir auch eindeutig nicht.
In der Transgender-Frage war die PDS in dieser Legislaturperiode vorne mit dabei. Ob sie das in der nächsten auch noch ist, nachdem Christina Schenk aus dem Bundestag ausgeschieden ist, ist eine gute Frage. Außerdem ist bei der PDS, wenn man nach den bisherigen Erfahrungen (siehe ELP) geht, durchaus die Gefahr gegeben, daß wenn sie nicht alles bekommen (wie z.B. die Abschaffung des juristischen Geschlechts - auch schon gefordert worden, aber ausgesprochen utopisch) sie auch gegen ein Gesetz stimmen, was zwar nicht alles, aber vieles an Verbesserungen enthält. Man kann - und sollte - zwar alles fordern. Aber die meisten Kinder haben schon mit drei gelernt, daß man deswegen noch lange nicht damit rechnen kann, auch alles zu bekommen.

In einem Punkte allerdings hat mich der Wahl-O-Mat beruhigt: Die Wahrscheinlichkeit, daß die CDU/CSU jemals eine Partei für mich sein könnte, ist äußerst gering. Mit denen stimme ich an genau zwei Positionen überein: Die humane Genomforschung soll nicht verboten werden (fordert aber auch keine andere Partei) und für Zuwanderer soll es Integrationskurse und -Angebote geben. (Auch nicht wirklich eine exclusive Position.)
In der Transgender-Frage läßt die Antwort auf den entsprechenden Wahlprüfstein erkennen, daß die CDU/CSU wohl kaum die Absicht hat, auch nur einen Handschlag für uns zu tun. Auch die anderen Antworten auf die Wahlprüfsteine lassen es wenig verständlich scheinen, wenn LBGTs diesen Laden an die Regierung bringen wollen. Es wählen halt nur die dümmsten Kälber ihre Metzger selber, aber LGBT sein ist ja auch keine Garantie für Anstand oder Intelligenz.

Bleibt die Partei, die ich schließlich eh schon immer gewählt habe: Die Grünen. Und irgendwie habe ich das auch diesmal wieder vor, auch wenn der selbe Schuß Sozialromantik wie bei der PDS eine Runde stört. Es sind eh nicht die Sozialromantiker, die am übelsten bremsen, sondern die Besitzstandswahrer. Und was soll man sonst machen ... *seufts*

Posted by alex.here at 04:55 EM